330 GT Registry

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Letzte Fahrt
Eine Amerikanerin wird in ihrem Ferrari beerdigt.

Die Dame, polterte empört der kalifornische Zivilrichter Franklin Da- na von seiner Bank herab, „liegt doch inzwischen schon lange genug herum.“

Die Dame, um die es ging, lag zur gleichen Zeit 2000 Kilometer entfernt im Kühlraum eines texanischen Bestattungsunternehmers und wartete auf den Richterspruch, der sie auf die letzte Reise schicken sollte. Und zwar in einem Ferrari.

Die reiche texanische Öl-Witwe Sandra Ilene West, schon mit 37 Jahren in ihrer Luxusvilla im Prominenten- viertel Beverly Hills der kalifornischen Großstadt Los Angeles verblichen, hatte mit ihrem Wunsch nach einer äußerst ungewöhnlichen Bestattungsart die Gerichte strapaziert: „Ich möchte im Spitzennachthemd in meinem Ferrari sitzend beerdigt werden“, hatte die exzentrische Amerikanerin in einem 1972 verfaßten Testament verfügt. Der Sitz sollte vorsorglich „bequem zurück- gelehnt“, das Auto samt entschlafenem Passagier in der Familiengruft der Sippe West auf dem Alamo-Friedhof von San Antonio, Texas, endgültig abgestellt werden.

Die Familie der Verstorbenen, zu Tode erschrocken über den letzten Willen der schrulligen Millionärin, rief jedoch das Gericht zu Hilfe: Sandra sei nicht zurechnungsfähig gewesen, als sie das Testament geschrieben habe.

Tatsächlich verstarb Sandras Mann Ike mit 33 an einer Überdosis Heroin, daß sie selbst damit experimentiert hat, gilt als sicher.

Schöner Sarg: Ferrari 250 GT aus dem Jahr 1964

Der Alltag der schnellen Dame war auch nicht gerade dazu angetan, Beobachter von ihrer Normalität zu überzeugen: Tagsüber saß sie allein — nur ihr Papagei durfte zu ihr — in ihrer 1,7- Millionen-Mark-Villa, abends raste sie in einem ihrer teuren Autos — neben dem 250 GT besaß sie einen Ferrari Dino und eine 60000 Dollar kostende ,,Stutz“-Limousine — durch die Prominenten-viertel von Hollywood.

Der letzte Trumpf der West- Mutter schließlich vor Gericht: ,,Mir gegenüber hat meine Tochter mehrfach erklärt, daß sie in einem ganz normalen Sarg beerdigt werden möchte.“

Was sie jedoch entweder nicht wußte oder bewußt verschwieg, war das Hobby ihrer Tochter: Ägyptologie. „Frau West war fasziniert von dem Glauben der Pharaonen, die sich zusammen mit ihrem gesamten weltlichen Besitz beerdigen ließen“, stellte die Pflegerin der Verblichenen vor Gericht fest. Offenbar spekulierte Sandra West mit der Vorstellung, sie könne im Jenseits aufwachen und dort gleich weiterfahren. Denn im Testament legte sie Wert darauf, daß der Zündschlüssel im Schloß zu stecken habe.

Richter Franklin Dana hörte sich beide Seiten der makabren Geschichte an und entschied salomonisch: Frau West bekommt ihren (letzten) Willen, aber der hellblaue Ferrari 250 GT, Baujahr 1964, muß aus Rücksicht auf die Angehörigen in einer großen, sargähnlichen Holzkiste verpackt werden. Die Beerdigungskosten — rund 17000 Dollar — werden aus dem Nachlaß bestritten.

„Ich weiß von keinem Gesetz, das diese Art von Beisetzung verbietet“, begründete Richter Dana seine Entscheidung. Der Wunsch sei „ungewöhnlich, aber nicht ungesetzlich“.

Einer wird bei der Urteilsverkündung besonders laut aufgeatmet haben: Sol West, der Schwager der Verstorbenen. Denn er wäre um genau sieben Millionen Mark ärmer gewesen, wenn die Bestattung im Ferrari geplatzt wäre. In ihrem Testament nämlich hatte Sandra West ihn nur für den Fall zu ihrem Universalerben bestimmt, daß es ihm gelänge, ihren sonderbaren Wunsch nach einem 300 PS starken Sarg durchzusetzen. „Wenn ich ohne meinen Ferrari beerdigt werde, dann bekommt Sol nur seinen Pflichtteil“ hatte sie gedroht.

Sandra West hatte einfach an alles gedacht — sogar an die spätere Benzinversorgung. Der italienische Sportwagen mußte nämlich vor der Bestattung noch schnell vollgetankt werden.

Tim Cole

auto motor sport Magazin 9/1977